Scheinselbstständigkeit

Unternehmer müssen genau hinsehen, wenn sie Selbstständige engagieren.     

 

Selbstständig oder angestellt – das ist für Arbeitgeber eine entscheidende Frage. Wer beispielsweise über Jahre einen IT`ler projektbezogen in sein Unternehmen einbindet, und die Rentenversicherung attestiert diesem Experten “Scheinselbstständigkeit”, dann könnte der Unternehmer bis zu vier Jahre Sozialversicherungsbeiträge für den Mann nachzahlen müssen.

Scheinselbstständig ist, wer als selbstständig Tätiger auftritt, tatsächlich jedoch abhängig Beschäftigter im Sinne des Sozialgesetzbuches ist. “Die Grenzen zwischen Selbstständigkeit und Scheinselbstständigkeit sind nicht klar abgegrenzt. Hier müssen häufig Gerichte als letzte Instanz entscheiden”, sagt Steuerberater Holger Latzel. Andererseits, so der Kempener, sind insbesondere viele mittelständische Unternehmer auf Freelancer angewiesen. Außerdem hat sich deren Zahl in den vergangenen zwei Jahrzehnten mehr als verdoppelt.

Laut Latzel, der am Niederrhein eine Beratungskanzlei betreibt, gibt es einige Kriterien, die auf Scheinselbstständigkeit hinweisen. Latzel: “Je mehr eine Tätigkeit der eines Festangestellten ähnelt, desto wahrscheinlicher ist Scheinselbstständigkeit.” Wenn der Auftragnehmer weisungsgebunden, in die Organisationsstruktur des Unternehmens eingebunden ist und kein eigenes unternehmerisches Risiko trägt, dann könnte ebenfalls Scheinselbstständigkeit vorliegen.

War der Externe zuvor in der Firma angestellt?

Wenn der Externe ferner kein eigenes unternehmerisches Risiko trägt, also beispielsweise Betriebsmittel des Auftraggebers nutzt oder ohne eigene Geschäftsräume und Werbung auftritt, sollte der Auftraggeber ebenfalls genauer hinschauen. Wenn der Freelancer zudem feste monatliche Bezüge erhält oder zuvor in der Firma angestellt war, mag das ein weiteres Indiz für Scheinselbstständigkeit sein.

“Ein Nachweis hingegen”, so Latzel, “dass Auftragnehmer mehrere Kunden haben, bringt Auftraggebern wenig.” Denn die Sozialversicherungsprüfer betrachten jeden Auftrag gesondert. Deshalb könne ein Solo-Selbstständiger mit vorübergehend nur einem Auftraggeber durchaus selbstständig sein. Dagegen könnte als Angestellter in doppelter Teilzeit gelten, wer bei zwei Auftraggebern komplett in deren Organisation integriert ist. “Vorsicht ist angebracht, wenn jemand dauerhaft nur einen Kunden hat”, betont Holger Latzel aus seiner täglichen Praxis. Zumindest wäre er als arbeitnehmerähnlicher Selbstständiger rentenversicherungspflichtig.

Die Rechtslage ist schwammig

Wie kontrovers die Rechtslage ist, zeigt folgender Fall: Dem Chefdirigenten eines Profiorchesters attestierte jüngst ein Sozialgericht eine echte Selbstständigkeit, obwohl der Mann kein unternehmerisches Risiko trägt. Zu dem Urteil kam das Gericht, weil der Dirigent weder Weisungen unterworfen noch in den Betrieb eingegliedert ist.

Auf jeden Fall empfiehlt es sich, dass Unternehmer einen Juristen konsultieren sollten, wenn sie sich als Auftraggeber von externen Leistungen nicht sicher sind, ob Scheinselbstständigkeit vorliegen könnte.

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